Mai, 2019
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Wie setzt man ein Mieterstrom-Modell um?
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist seit dem 25. Juli 2017 die „Mieterstrom“-Novelle in Kraft. Worum geht es bei der „Mieterstrom“-Novelle? Im Kern wird geregelt, dass jeder mit einer Photovoltaik-Anlage Strom produzieren und diesen an die Bewohner von Mehrfamilienhäusern verkaufen kann. Obendrein gibt es dafür eine Förderung. Die Idee, den vor Ort benötigten Strom an oder besser auf der Wohnimmobilie zu erzeugen und dann dort zu verbrauchen, ist durchaus charmant.
Denkt man an die Probleme der Stromverteilung, die im Zuge der Energiewende zu lösen sind, wird schnell klar, dass damit im bestehenden Stromnetz Freiräume geschaffen werden. Leider gibt es bisher nur sehr wenige Modellprojekte – nicht zuletzt, weil die Vertriebsabteilungen der Solarwirtschaft derzeit einen anderen Kundenkreis im Visier haben. Seit die Einspeisevergütung für Solarstrom deutlich gesunken ist, hat sich die Solarbranche auf die Eigenversorgung eingeschossen. Hier boomt derzeit der Verkauf von Photovoltaik-Anlagen und Batteriespeicher. Das Verkaufsargument ist einfach nachzuvollziehen: „Investiere einmal in eine PV-Anlage und spare über Jahrzehnte Stromkosten ein!“ Für die Eigenversorgung bekommt der Kunde meist eine „Rund-um-sorglos“-Lösung angeboten. Beim Mieterstrom ist das leider viel komplexer. Wer ein Mieterstrom-Modell errichten will muss echte Pionierarbeit leisten. Bei der Informationsbeschaffung ist man weitgehend auf sich selbst gestellt. Ein Blick in das Marktstammregister der Bundesnetzagentur zeigt, dass es bundesweit per 31.01.2019 lediglich 434 registrierte Mieterstrom-Anlagen gibt.
Eine besondere Herausforderung ist die Umsetzung einer Anlage gemäß „Mieterstrom“-Novelle in einem gemischt genutzten Mehrfamilienhaus. Genau das wird Thema unserer Beitragsreihe zum Mieterstrom. Bei uns geht es nicht um ein theoretisches Projekt. Das Mieterstromprojekt wird wirklich in einem Mehrfamilienhaus mit 4 Wohneinheiten umgesetzt. In diesem Beitrag geht es zunächst um eine Erklärung, was es mit dem Mieterstrom-Modell genau auf sich hat.
Mieterstrom – was ist das?
Der über eine Solaranlage erzeugte Strom wird durch die Bewohner in einem Mehrfamilienhaus verbraucht. Ob die Solaranlage vom Vermieter der Immobilie, einem Dienstleister oder auch durch die Bewohner selbst, z.B. die WEG, betrieben wird, spielt keine Rolle. Grundsätzlich kann jeder das Dach eines Mehrfamilienhauses pachten und darauf eine PV-Anlage für ein Mieterstrommodell errichten. Der Begriff „Mieterstrom“ ist daher etwas unscharf, weil es nicht nur um Mieter, sondern die Bewohner eines Mehrfamilienhauses im Allgemeinen geht. Mieterstrom können also auch die Bewohner einer Eigentumswohnung beziehen, egal ob Mieter oder Eigentümer.
Im Hinweis zum Mieterstromzuschlag als eine Sonderform der EEG-Förderung der Bundesnetzagentur findet sich folgendes Schaubild. Hier sind die Beteiligten beim Konzept Mieterstrom sehr gut erläutert.
Betrachten wir im Schaubild zunächst den Sachverhalt aus Sicht des Stroms – im Schaubild durch die hellblauen Pfeile eingezeichnet. Strom wird durch die PV-Anlage produziert und direkt durch die Bewohner im Wohngebäude verbraucht; im Schaubild „Mieterstrom“ genannt. Es ist auch zulässig, Strom in einer Batterie zwischenzuspeichern. Allerdings gehen Speicherverluste zu Lasten des Anlagenbetreibers und müssen entsprechend gemessen werden. Die „Überschusseinspeisung“ in das Öffentliche Netz ist Strom, der nicht direkt verbraucht oder in einer Batterie gespeichert wird. Reicht der Strom aus der PV-Anlage nicht aus, muss dieser „Zusatzstrom“ aus dem öffentlichen Netz bezogen werden. Der Anlagenbetreiber und Stromlieferant ist im Rahmen der Mieterstrom-Novelle verpflichtet, die komplette Stromversorgung der Bewohner zu erbringen. Daher muss dieser die Stromlieferung sicherstellen.
Womit wir direkt zu den Vertragsbeziehungen kommen. Diese sind im Schaubild mit grauen Pfeilen dargestellt. Der Anlagenbetreiber und Stromlieferant schließt zum einen mit den Bewohnern einen „Mieterstrom-Liefervertrag“ – zum anderen muss er für den Zusatzstrom einen Vertrag mit einem Stromhändler, also einen ganz „normalen“ Stromliefervertrag, schließen.
Schauen wir uns noch finanzielle Seite an. Die Zahlungsflüsse sind im Schaubild durch dunkelblaue Pfeile dargestellt. Die Bewohner zahlen an den Anlagenbetreiber und Stromlieferanten den Preis für den bezogenen Strom. Vom Anschlussnetzbetreiber erhält der Anlagenbetreiber die Förderung für den Mieterstrom und das Entgelt für die Überschusseinspeisung. Für die Stromlieferungen an die Bewohner fällt die komplette EEG-Umlage an. Diese muss der Anlagenbetreiber und Stromlieferant an den Übertragungsnetzbetreiber bezahlen.
Welche Voraussetzungen gibt es für die Mieterstrom-Förderung?
Mieterstrom-Modelle gab es bereits vor der Novelle vom 25.07.2017. Neu ist, dass Mieterstrom-Modelle unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden. Die Förderung errechnet sich aus der aktuellen Einspeisevergütung, abzüglich 8,5 ct. Die Größe der Anlage spielt für die Höhe der Förderung auch noch eine Rolle.
Die Bedingungen um eine Förderung nach der „Mieterstrom“-Novelle zu erhalten, sind bei der Bundesnetzagentur detailliert beschrieben. Die wesentlichen Unterschiede sind in folgender Gegenüberstellung der Bundesnetzagentur genannt.
Die wesentlichen Unterschiede sind in folgender Gegenüberstellung der Bundesnetzagentur genannt.
Nehmen wir einige Stichpunkte der Bundesnetzagentur genauer unter die Lupe. Strom „nur aus Solaranlagen mit max. 100 kWp“ heißt nicht, dass in der Anlage nicht auch ein Blockheizkraftwerk oder eine Kleinwindanlage betrieben werden kann. Wichtig ist, dass der Anlagenbetreiber durch ein geeignetes Messkonzept sicherstellt, dass er genau nachweisen kann, wieviel Strom tatsächlich aus der PV-Anlage direkt an die Bewohner geliefert wurde. Das Thema „Messkonzept“ ist in Sachen Mieterstrom-Modell ohnehin ein zentraler Dreh- und Angelpunkt. Das „Messkonzept“ muss meist auch mit dem Netzbetreiber abgestimmt werden. Somit sollte dieser auch sehr früh in die Planungen einbezogen werden.
Der Strompreisdeckel besagt, dass der Betreiber eines Mieterstrom-Modells nicht ganz frei in der Preiskalkulation für den an die Bewohner gelieferten Strom ist. Maximal dürfen 90 % des ortüblichen Grundtarifs für den Mieterstrom berechnet werden, wenn man die Mieterstromförderung erhalten möchte. Für die Kalkulation eines Mieterstrom-Modells bietet das Institut für Solarenergieforschung GmbH Hameln (ISFH) ein Excel-Tool zum kostenlosen Download an. Damit lässt sich ein Mieterstrom-Projekt perfekt kalkulieren. Wir sind von dem Tool so begeistert, dass es dazu einen eigenen Beitrag geben wird.
Wie sieht ein Messkonzept für unser Mieterstrom-Modell aus?
Der Anlagenbetreiber hat die Nachweispflicht, wieviel Strom aus der PV-Anlage bzw. dem öffentlichen Netz bezogen und wieviel Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird. Den Bewohnern gegenüber muss der Betreiber nachweisen können, wieviel Strom die Wohneinheiten jeweils bezogen haben. Außerdem muss die Möglichkeit bestehen, dass ein Bewohner nicht am Mieterstrom-Modell teilnimmt und selbst einen Stromliefervertrag mit einem anderen Stromlieferanten abschließt. Da der Betreiber für all diese Punkte nachweispflichtig ist, muss das Messkonzept gut durchdacht sein.
Der grundsätzliche Aufbau des Messkonzepts kann wie in der nachfolgenden Abbildung aussehen.
Der Zähler Z1L (Lieferung) misst, wieviel Strom ins Netz eingespeist wird und ist relevant für die Ermittlung der Einspeisevergütung. Der Zähler Z1B (Bezug) misst, wieviel Strom aus dem Öffentlichen Netz entnommen wird. Er ist für die Messung des Zusatzstroms notwendig. Der Zähler Z2L (Lieferung) gibt an, wieviel Strom von der PV-Anlage erzeugt wird. Die Messungen von Z2L und Z1L werden zur Ermittlung der Mieterstromförderung und zur Ermittlung der EEG-Umlage herangezogen.
In der beispielhaften Abbildung gibt es 4 Parteien, von denen nur die Nutzer N1, N2 und N3 am Mieterstrom-Modell teilnehmen. Der Zähler Z3B (Bezug) ist für die Messung des Stromverbrauchs des vierten Bewohners, der nicht am Mieterstrom angeschlossen ist. Der Zähler ist direkt am Hausanschluss angeschlossen und dient der Abrechnung des Stromverbrauchs von Nutzer 4. Mit diesem Zähler hat der Betreiber des Mieterstrom-Modells im Grunde keine Berührung. Die Zähler Zi1, Zi2 und Zi3 haben nur internen Charakter. Die dort gemessenen Verbräuche rechnet der Betreiber des Mieterstrom-Modells mit den teilnehmenden drei Parteien ab.
Will man in die Anlage eine Batterie zum Zwischenspeichern des PV-Stroms einbinden, eine Kleinwindkraftanlage oder ein Blockheizkraftwerk mit ins Versorgungskonzept aufnehmen, wird das Messkonzept um einiges komplexer. Auch wenn im Mehrfamilienhaus auch der Betreiber der Anlage wohnt und Strom im Eigenversorgungs-Modell beziehen will, wird es komplizierter. Wenn ihr dazu mehr wissen wollt, dann lest unseren Blog-Beitrag „Mieterstrom-Modell im gemischt genutzten Mehrfamilien umsetzen – ein Abenteuer!“. Dieser wird in Kürze veröffenlticht!
Was sagt das Finanzamt zum Mieterstrom-Modell?
Auch das ist ein Thema, zu dem wir einen eigenen Beitrag verfassen werden. Kurz zusammengefasst sind die wichtigsten Punkte: Wer als Privatperson ein Mieterstrom-Modell betreibt wird vom Fiskus als Unternehmer gesehen. Als solcher muss für das Mieterstrom-Modell eine Einnahmen- und Überschussrechnung (EÜR) erstellt und im Rahmen der persönlichen Einkommensteuer-Erklärung eingereicht werden. Außerdem ist der Betrieb eines Mieterstrommodells für die Umsatzsteuer relevant. Wenn mit der Anlage der Jahresumsatz im ersten Jahr weniger als 17.500 EUR und im Folgejahr weniger als 50.000 EUR erzielt werden, kann man von der Kleinunternehmerregelung nach §19 EkSt-Gesetz Gebrauch machen. Wählt man die Kleinunternehmerregelung, hat man mit der Umsatzsteuer nichts mehr am Hut. Das klingt zunächst nach einer guten Lösung – ist es aber in der Praxis oft nicht. Wer das macht, kann dann auch keinen Vorsteuerabzug für die Anschaffungskosten der PV-Anlage geltend machen. Verzichtet man auf die Kleinunternehmerregelung, ist normalerweise ein Vorsteuerabzug möglich und man bekommt vom Finanzamt die beim Kauf für die PV-Analge bezahlte Mehrwertsteuer wieder zurück. Im Gegenzug sind dann die mit dem produzierten Strom erzielten Umsätze auch umsatzsteuerpflichtig. Wer sich gegen die Kleinunternehmerregelung entscheidet, ist an diese Entscheidung erst einmal 5 Jahre lang gebunden. Erst dann ist eventuell ein Wechsel möglich.
In der Praxis ist das ein gängiges Modell zunächst einmal für 5 Jahre die Regelbesteuerung zu wählen. So kann die PV-Anlage quasi zum Nettopreis eingekauft werden. Dafür muss der Betreiber dann die nächsten 5 Jahre die 19 % Mehrwertsteuer auf die erzielten Umsätze an das Finanzamt bezahlen. Weil das in der Regel viel weniger als der Vorsteuerabzug beim Kauf der Anlage ist, lohnt sich der Aufwand, der mit der Regelbesteuerung verbunden ist. Nach 5 Jahren wird auf die Kleinunternehmerregelung gewechselt und die künftigen Umsätze fallen dann ohne Umsatzsteuer an. Generell gilt, dass für alle steuerlichen Entscheidungen in diesem Zusammenhang eine Beratung durch einen Steuerberater extrem wichtig ist. Schon, weil sich die steuerrechtlichen Sachverhalte auch schnell ändern können.
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